Tag des Gedenkens

Am 27. Januar 1945 wurden die Überlebenden des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz von sowjetischen Soldaten befreit.
Am heutigen Jahrestag legten Bürgermeister Simon Hartmann und der 1. stellvertretende Bürgermeister Holger Lambrecht ein Gesteck am Gedenkstein am Entenmarkt für die ehemaligen jüdischen Bürgerinnen und Bürger Northeims nieder und gedachten der Opfer.

Alle Fotos: Miriam Günter

Nachstehend die Worte von Bürgermeister Simon Hartmann:  

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,
am 27. Januar 1945 wurden die Überlebenden des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz von russischen Soldaten befreit. Auschwitz steht wie kein anderes Konzentrationslager als Symbol für den millionenfachen Mord während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Wie viele andere Konzentrationslager wurde Auschwitz in den Kriegsjahren zu einem Vernichtungslager ausgebaut, in dem in erster Linie Jüdinnen und Juden, aber auch Mitglieder anderer, dem nationalsozialistischen Ideal nicht entsprechender Bevölkerungsgruppen und politische Gegner des Regimes ermordet wurden.
Am 20. Januar 1942, vor beinahe 80 Jahren, kamen in einer Villa am Großen Wannsee in Berlin hochrangige Vertreter der Reichsregierung und SS-Behörden zusammen, um den Holocaust der Juden im Detail besser zu organisieren und die Zusammenarbeit der Beteiligten zu koordinieren. Diese Wannseekonferenz hatte zum Ziel, die Effizienz der Massentötungen zu steigern sowie den zeitlichen Ablauf zu beschleunigen. Undenkbares und Unvorstellbares wurde diskutiert und beschlossen.
Wir sind heute - wie in jedem Jahr - zusammengekommen, um an diesem Jahrestag der Befreiung der Überlebenden im Konzentrationslager Auschwitz, der im Jahr 1996 zum ersten Mal als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus begangen wurde, aller Opfer, die der Terror des Nationalsozialismus, des Rassismus und der Verfolgung auf unerbittliche Weise gefordert hat, zu gedenken. Wir gedenken der Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Homosexuellen, politisch anders Denkenden sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Kriegsgefangenen und Deserteuren, Greisen und Kindern an der Front, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.
Anrede,
mit Sorge betrachte ich es, wenn heute sogenannte Spaziergänger im Fackelzug vor Häuser anders Denkender ziehen oder vor Mahnmale, so wie es hier passiert ist.
Mit Sorge betrachte ich es, wenn Menschen Angst haben, sich für die Demokratie und deren Ziele einzusetzen.
Die Angriffe auf gewählte Volksvertreter:innen, Polizeibeamtinnen und  beamte, Kirchenvertreter:innen, die Missachtung von Wissenschaften, das Verbreiten von Verschwörungstheorien, die Verachtung von Menschenrechten und Demokratie dürfen nicht zu einer akuten Bedrohung für unser Zusammenleben in Frieden und Freiheit werden.
Ich verurteile diese Straftaten und Grenzüberschreitungen in aller Schärfe!
Unsere Geschichte zeigt, wie eine zunehmende politische Radikalisierung eine freiheitliche, liberale und demokratische Gemeinschaft destabilisieren und von innen heraus ins Wanken bringen kann.
Der Holocaust-Gedenktag fordert uns, frühzeitig diesen Gefahren entgegenzutreten und im Alltag und in den sozialen Medien aktiv für Demokratie und Menschenrechte einzutreten. Die aktive Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft darf nicht nachlassen. Eine Mehrheit darf nicht ohnmächtig schweigen und wegschauen, wenn Einzelne Egoismus und Intoleranz gegenüber Vielen durchsetzen wollen. Wir alle sind gefordert zu handeln und diesen sichtbaren undemokratischen Tendenzen Einhalt zu gebieten.
Ich danke den vielen engagierten Bürger:innen für das persönliche Engagement für Demokratie und gegen die demokratie- und menschenfeindlichen Tendenzen. Ich bitte Sie weiterhin um Ihren persönlichen Beitrag für ein demokratisches und friedliches Zusammenleben.
Es ist unsere Verpflichtung, für den Frieden einzutreten. Hass, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Gleichermaßen ist es unsere Verpflichtung, zu mahnen.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat bei der Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1985 treffend festgestellt:
„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“
Anrede,
ich danke Ihnen allen für Ihr heutiges Kommen, um den unzähligen unschuldigen Opfern Andenken und Achtung zu erweisen. Damit geben Sie auch ein Versprechen, sich für Demokratie und Toleranz und gegen Gewalt einzusetzen. Herzlichen Dank.


Um den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Northeim eine virtuelle Teilnahme am Gedenken zu ermöglichen, hier einige Fotoaufnahmen: