Marie Reddersen

Vor 30 Jahren, am 30. November 1986, verstarb Marie Reddersen.

 

Reddersen-Haus um 1905 (Das 3. Haus auf der linken Seite des Bildes)

"gute Stube"

Küche

Marie Reddersen

Marie Reddersen wurde am 28. April 1904 in Northeim geboren. Verfolgt man ihren Lebensweg, so war sie vom 24. Lebensjahr an immer wieder in Anstellung als Haustochter in der näheren und ferneren Umgebung tätig. Für Mädchen aus besserem Hause war in dieser Zeit noch eine Lohnarbeit ausgeschlossen. Man ging dann in größere Haushalte, um zu lernen, solche führen zu können … und man wartete auf die Heirat. Rückkehrpunkt für Marie  war aber immer ihr Elternhaus „Am Münster 6“. 1940 änderte sich dieses ruhelose Leben mit Aufenthalten hier und da, von nun an blieb sie, 36jährig, in ihrem Elternhaus.

Marie Reddersen gehörte der alten und weitverzweigten Northeimer Familie Reddersen an. Der Name Reddersen ist seit dem 14. Jahrhundert in Northeim nachweisbar. Während in dem einen Zweig der Familie vornehmlich Ackerbürger, Brauer, Metzger und Gastwirte überwogen, wandte sich ein anderer der Rechtswissenschaft zu, und es gingen aus diesem immer wieder Träger hoher Ämter in der Stadt hervor.

Die Eltern von Marie Reddersen waren Anna Reddersen, geb. Reddersen, und Heinrich Reddersen. Als Beruf gab Maries Vater an: Ackerbürger.

Ackerbürger war damals ein weitverbreiteter Berufszweig in der Stadt, man betrieb Landwirtschaft, aber der Bauernhof war gleichsam das Reihehaus des Bürgers in der Stadt. Kennzeichen für diese Ackerbürgerhäuser war der große Torbogen, um den Ackerwagen in die Diele fahren zu können.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts befand sich das Haus Am Münster 6 im Besitz der Familie von Marie Reddersen. Als erster Reddersen erscheint Heinrich Reddersen nach Joh. Christoph Schrader in der Besitzerliste. 1764 folgt Christian Friedrich Reddersen, als Stand wird „Ackermann“ angegeben, 1814 übernimmt seine Witwe das Haus. 1815 geht der Besitz auf den Ackermann  Daniel  Reddersen über, 1868 auf den Ackermann Johann Carl Reddersen und 1898 auf den als Ackerbürger bezeichneten Friedrich Reddersen. Schließlich erbten 1932 die Schwestern Marie und Hanna Reddersen das Haus.

Gemeinnützige Stiftung 

1986 verstarb Marie Reddersen, die bis zu ihrem Tod in dem Haus Am Münster 6 gewohnt hatte. Testamentarisch hatte sie als letzte Trägerin des Namens Reddersen in Northeim der Stadt Haus und Vermögen übertragen, das diese in ihrem Sinne in eine gemeinnützige Stiftung unter dem Namen ihrer Familie einbrachte. Seit Errichtung dieser Reddersen-Stiftung 1987 verwaltet ein Kuratorium aus Vertretern von Rat und Verwaltung der Stadt das Vermögen, leitete die Bau- und Sanierungsmaßnahmen und entwickelte ein Nutzungskonzept für das Reddersen-Haus.

Kerngedanke bei der Frage der Verwendung des Hauses war die wirtschaftlich sinnvolle Kombination verschiedener Nutzungsformen. Die Einrichtung einer Museumsetage mit dem aus dem Besitz der Familie Reddersen überlieferten Inventar ermöglicht die Dokumentation der Wohnverhältnisse eines Ackerbürgerhaushalts. Als weiteres Element entstand ein multifunktionaler Raum, der nun die Büros der Vereine „Northeim Touristik“ und „Stadtmarketing Northeim“ beherbergt. Ein Teil des rückwärtigen Gebäudekomplexes wurde zu einem Atelier umgebaut, das einem über ein Stipendium von der KSN geförderten Künstler zur Verfügung gestellt wird. Weiter entstanden dort zwei Mietwohnungen, die zur Finanzierung des Objektes beitragen.

Um das Nutzungskonzept verwirklichen zu können, musste aus Gründen des Brandschutzes an der Südfassade des Haupthauses ein Galerietreppenhaus angebaut werden. Ursprünglich aus einer technischen Notwendigkeit heraus entwickelt, zeigt heute der Kontrast des modernen Glasanbaus und der historischen Fassade des Fachwerkhauses eine der schönsten Perspektiven des Gebäudekomplexes. Im baulich unveränderten und nur einfach sanierten ersten Obergeschoss des Hauses wurde mit dem überlieferten Inventar der Familie Reddersen beispielhaft die bürgerliche Wohnkultur einer Northeimer Ackerbürgerfamilie des ausgehenden 19. Jahrhunderts dargestellt. Das zentrale Anliegen, das mit der Einrichtung der Museumsetage verfolgt wurde, war es, einen Einblick in den bescheidenen Wohlstand einer Northeimer Ackerbürgerfamilie zu geben und dabei den Willen der Stifterin zu erfüllen, ein Stück Northeimer Vergangenheit für spätere Generationen zu erhalten.

Dort ergab sich der seltene Glücksfall der Einheit von Räumlichkeiten und Interieur. Anders als sonst im Museum, wo das historische Sammlungsgut in einen völlig neuen Zusammenhang gestellt wird, gehören im Reddersen-Haus die Räume und ihre Ausstattung nach wie vor zusammen. So konnte hier ein bedeutendes Stück der Northeimer Alltagsgeschichte mit einem hohen Maß an Authentizität bewahrt werden. Entsprechend des überlieferten Inventars widmet sich die Einrichtung der Museumsetage dem Kernbereich des Wohnens mit der Inszenierung einer Küche, einer „guten Stube“, eines Esszimmers und einer Schlafkammer. Darüber hinaus wurden die Baugeschichte des Hauses und die Geschichte der Familie Reddersen in einem kleinen Informationsraum dokumentiert.

Gebäude gehört zu den ältesten der Stadt

Das Gebäude gehört zu den ältesten der Stadt, wurde vermutlich 1420 errichtet. Eine Untersuchung der Jahresringe der Eichenhölzer ergab als Fälljahr 1419. Danach könnte der Kernbau in diesem oder einem der darauffolgenden Jahre ausgeführt worden sein, sollte es sich nicht um eine zweite Verwendung der Hölzer handeln. Ursprünglich bildete der heutige Bau mit dem östlich nebenstehenden Haus eine Einheit. Im Zuge einer wahrscheinlich im 16. oder 17. Jahrhundert vorgenommenen Grundstücksteilung wurde das östliche Hausdrittel abgetrennt. Die einheitliche Fassade blieb bis ins 20. Jahrhundert aber erhalten. 1978 wurde das Nachbarhaus durch einen kompletten Neubau ersetzt. Die Farbgebung variierte im Laufe der Jahrhunderte. Für die Zeit vom 16. bis zum 19. Jahrhundert lässt sich eine anhaltende Graublauphase nachweisen, die Ständer waren dunkelgraublau und das Gefache hellgraublau. Nach der Sanierung des Hauses 1996 ging man auf diese ursprüngliche graublaue Farbkomposition zurück, um die Außenfassade möglichst authentisch wiederherzustellen.

Das Fachwerkgebäude zeigt in der Frontgestaltung die typischen Merkmale gotischer Bauweise wie das Zwischengeschoss und das vorkragende Obergeschoss. Im mittleren Drittel des ursprünglichen Kernbaus befindet sich eine Diele, deren spitzbogiges Einfahrtstor das Gebäude als brauberechtigtes Ackerbürgerhaus kennzeichnet.

Mit der Stiftung wurde Marie Reddersen ein bleibendes Denkmal in der Stadt gesetzt. Das Reddersen-Haus wurde in den vergangenen fast 20 Jahren nach seiner Einweihung am 13. Juli 1997 zu einem zentralen Anlaufpunkt in der Stadt für Geschichte, Touristik und Kultur.