Stellungnahme von Bürgermeister Simon Hartmann zu politischen Veranstaltungen im Bürgersaal und der Verwendung des Namens Graf Otto

Northeim bleibt eine Stadt, die für Demokratie, Toleranz, Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt steht.

Foto: Bürgermeister Simon Hartmann

Ich weise antidemokratische, verschwörungstheoretische oder gar rassistische Äußerungen mit Nachdruck zurück. Die aktuellen Tendenzen einiger Gruppierungen, den Rechtsstaat oder die demokratische Ordnung von innen auszuhöhlen, sehe ich mit großer Sorge. Jetzt ist die Zeit, vor der wir uns immer gegenseitig gewarnt haben. Offenbar haben wir die schleichende Verrohung und Radikalisierung von Teilen der Gesellschaft zu lange unterschätzt. Dadurch fühlen sich jetzt manche Protagonisten bestätigt, ihre Denkweise mehr und mehr in die Öffentlichkeit zu tragen.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, zu zeigen, dass wir eine Gesellschaft, die auf Ausgrenzung und Intoleranz beruht, nicht wollen. Am 27. Januar werden wir um 18 Uhr wie in jedem Jahr am Entenmarkt zusammenkommen, um am Gedenkstein für die ehemaligen jüdischen Bürger Northeims, den deportierten und ermordeten Opfern der Nazi-Diktatur zu gedenken. Es ist ein Hoffnung machendes Zeichen, dass in den vergangenen Jahren zu der Veranstaltung und anlässlich des Gedenkens an die Pogromnacht am 9. November immer mehr Northeimerinnen und Northeimer ein Zeichen für die unantastbare Würde des Menschen gesetzt haben. Aber das allein wird in Zukunft nicht mehr reichen. Wir alle sollten uns fragen, was wir darüber hinaus tun können. Ich halte es für wichtig, auch in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden, im Beruf, beim Sport, im Verein immer wieder zu zeigen, dass man für die Werte unseres Grundgesetzes und die Wichtigkeit unserer Grundrechte eintritt. Und wenn es Grenzüberschreitungen gibt, müssen auch diese als solche klar benannt und zurückgewiesen werden – im digitalen wie im nicht digitalen Umfeld. Ich halte es ebenso für wichtig aufzuhören, sich in eine Spirale des Schlechtredens zu begeben. Es läuft mit Sicherheit nicht alles optimal und wir alle, die politische und gesellschaftliche Verantwortung tragen, müssen unser Handeln täglich selbstkritisch hinterfragen, unser Handeln mehr erläutern, besser zuhören und am Ende zu tragfähigen Entscheidungen kommen. Aber den Eindruck zu erwecken, es gehe alles den Bach runter, ist nicht nur bedenklich, sondern auch falsch! Es ist jetzt Zeit, die derzeitigen vielfältigen Herausforderungen konstruktiv anzugehen, miteinander zukunftsorientierte und realistische Lösungen zu erarbeiten und diese umzusetzen.

Dass der Name „Graf Otto“ für die Verleihung eines „Graf-Otto-Preises“ politisch genutzt wird, halte ich für sehr bedenklich. Dass im Vorfeld die Verwendung weder den anderen Ratsfraktionen noch der Stadtverwaltung mitgeteilt wurde, spricht für sich und lässt tief blicken. Ich halte es schlicht für eine Frage des Anstands, dies im Vorfeld mindestens zu kommunizieren. Eine Möglichkeit der rechtlichen Verhinderung der Verwendung sehe ich jedoch nicht, da der Name der historischen Person „Graf Otto von Northeim“ nicht geschützt ist.

Für die künftige Nutzung des Bürgersaals und der Alten Wache zu politischen Zwecken, lasse ich derzeit Maßnahmen prüfen. Ich werde dem Stadtrat sehr zügig konkrete Vorschläge unterbreiten. Und ich bin sehr sicher, dass es zu Änderungen der Benutzungsordnung kommen wird. Die aktuelle Benutzungsordnung ist seit dem 01. Mai 2021 in Kraft und wurde vom Rat der Stadt Northeim am 29. April 2021 beschlossen. Aufgrund der aktuell gültigen Benutzungsordnung (§ 2) für den Bürgersaal der Stadt Northeim hat es keine Handhabe gegeben, die Durchführung dieser politischen Veranstaltung dort nicht zu gestatten. Die Beschränkung der Vergabe von Räumlichkeiten an ausgewählte Parteien ist nach dem Grundgesetz unzulässig. Nach dem Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland) sowie dem Gleichbehandlungsgebot des Parteiengesetzes (Par. 5 Absatz 1) haben staatliche Einrichtungen alle nicht verbotenen Gruppierungen gleich zu behandeln und ihnen in gleicher Weise Möglichkeiten der Betätigung zu bieten.

Die vielen Rückmeldungen, die mich in den vergangenen Tagen erreicht haben, und die vielen Gespräche, die ich geführt habe, zeigen ganz deutlich, dass Northeim eine Stadt bleibt, in der Zusammenhalt, Toleranz und Demokratie gelebt werden. Das ist ein Mut machendes Zeichen. Wir sollten gemeinsam für unsere offene Gesellschaft einstehen und uns für sie engagieren.